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Versicherungen werden kleinteiliger

Seitdem die Coronavirus-Pandemie große Teile der arbeitenden Bevölkerung ins Homeoffice gezwungen hat, kursiert das große Stichwort Digitalisierung im öffentlichen Diskurs. Die Versicherungsbranche habe einen großen Sprung gemacht, heißt es im allgemeinen Konsens. Speziell in der Biometrie gibt es jedoch andere Trends, auf die sich ein Blick lohnt. Philip Wenzel, Biometrie-Experte bei der BSC Neutrale Allfinanz-Vermittlungs-GmbH, gibt im Gastbeitrag tiefe Einblicke.

Die Akademiker-Versicherung

Wenn es um Trends in der Absicherung der biometrischen Risiken geht, fallen gerne Begriffe wie „Digitalisierung“ oder „Prävention“. Hier ist aber eher der Wunsch Vater des Gedanken. Tatsächlich ist die Branche in der Arbeitskraftabsicherung noch Lichtmeilen vom digitalem Abschluss, der digitalen Begleitung oder Leistungsfallregulierung entfernt. Die ersten Schritte sind hier eher gedacht als gemacht. Auch bei der Prävention gibt es nur erste Ansätze.

Philip Wenzel

Es gibt Trends, die vielleicht gar nicht geplant, aber einfach da sind.

Einer davon ist die Entwicklung der Berufsunfähigkeits-Versicherung zu einer reinen Akademiker-Versicherung. Das ist sicher keine Absicht, aber der gesunde Akademiker ist nun mal die beliebteste Zielgruppe unter den Versicherern. Also verbessern die Anbieter die Tarife dahingehend, wodurch schon eine Verteuerung eintritt. Und da die Berufsgruppendifferenzierung schon kurz vor einer individuellen Kalkulation ist, spüren die Akademiker, die in der Regel auch nicht schlecht verdienen, von diesen Preissteigerungen nichts. Ich möchte sogar wetten, dass es trotz Senkung des Höchstrechnungszinses bei den Akademikern maximal zu einer Steigerung des Bruttopreises kommt, während bei den Handwerkern die Prämien steigen werden.

Das Tragische an dieser Entwicklung ist, dass Akademiker einen so guten Schutz nicht so dringend benötigen wie Handwerker. Handwerker können aus gesundheitlichen Gründen oft schneller nicht mehr arbeiten und müssen sich dann umschulen.

Immer mehr Leistungspakete

Ein weiterer Trend betrifft die vielen Leistungspakete, die in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen an die BU-Versicherung angedockt werden. Damit meine ich zum Beispiel die AU-Klausel, die Infektions-Klausel oder die DU-Klausel. Diese Klauseln unterscheiden sich in der Zielgruppe und dem tatsächlichen Nutzen, aber sie haben alle eine Sache gemeinsam: Im Leistungsfall bleibt eine ganze Reihe von Nachweisen aus.

  • Versicherte müssen nicht beweisen, dass sie zu 50 Prozent außerstande sind zu arbeiten.
  • Sie müssen die entsprechenden Tätigkeiten nicht nachvollziehbar darlegen.
  • Versicherte müssen die Erkrankung nicht medizinisch nachweisen.

Genau diese Vorgaben machen den BU-Leistungsfall so unglaublich komplex. Und deshalb verzweifeln daran auch viele Kunden. Zum Beispiel könnte man das Tätigkeitsprofil so gut es geht vereinheitlichen oder dem Kunden erklären, worauf es ankommt. Stattdessen werden oben genannte Klauseln eingeführt. Hier muss der Versicherte dann nur eine Krankschreibung einreichen, eine behördliche Anordnung oder eine Ruhestandsversetzung. Das ist wesentlich einfacher und nimmt dem BU-Leistungsfall den Stachel.

Das kann die Grundfähigkeits-Versicherung

Ein dritter Trend betrifft die Grundfähigkeits-Versicherung. Da die Berufsunfähigkeits-Versicherung sich immer mehr den Akademikern zuwendet, bleiben viele andere Berufe auf der Strecke. Um für diese hauptsächlich handwerklichen Berufe eine Lösung anzubieten, wird derzeit die Grundfähigkeits-Versicherung angepriesen. Im Prinzip ist eine Grundfähigkeits-Versicherung besser als keine Berufsunfähigkeits-Versicherung. Aber eine Grundfähigkeits-Versicherung ist nur vertrieblich leicht erklärt. Denn jeder Kunde kann sich was unter „Treppensteigen“ oder „Knien“ vorstellen. Tatsächlich kann eine Grundfähigkeits-Versicherung aber nur dann eine Beruffsunfähigkeits-Versicherung ersetzen, wenn der Kunde verstanden hat, dass seine Vorstellung vom Leistungsauslöser im Leistungsfall egal ist. Wichtig ist, was der Versicherer damit gemeint hat.

Und so wird die Grundfähigkeits-Versicherung als Ersatz für eine Berufsunfähigkeits-Versicherung dann doch wieder wesentlich komplexer als es die Werbung dafür verspricht. So kann man sich hier einer Tätigkeitsbeschreibung nähern und vergleichen, welche versicherten Grundfähigkeiten in meinem Beruf wichtig sind, oder passende Bausteine zusammenstellen.

Mehr Individualität durch Bausteine

Und diese Bausteine sind dann auch der vierte Trend in der Biometrie. Der Markt sucht eine immer direktere Zielgruppenansprache. Deshalb nähert sich die Grundfähigkeits-Versicherung über Bausteine dem Berufsbild an, indem sie sich an den Gesundheitsprüfungen der Berufsgenossenschaften oder an notwendigen Führerscheinen orientiert. Den Anfang machte hier der Leistungsauslöser „LKW-Führerschein“. Wer LKW oder Bus fährt, braucht einen besonderen Führerschein. Die Zielgruppe der Berufskraftfahrer ist die größte in Deutschland, weshalb das schon mal keine schlechte Idee war. Außerdem ist eine Berufsunfähigkeits-Versicherung hier schon sehr teuer. Deshalb besteht Platz für eine Alternative.

Mittlerweile gibt es auch Bausteine, die leisten, wenn Versicherte laut der Berufsgenossenschaft die Lärmbelastung nicht mehr ertragen. Das dürfte vor allem in der Industrie spannend sein.

Andere Bausteine leisten dann, wenn ich keine Kräne oder Gabelstapler mehr bedienen darf.

Versicherungen werden kleinteiliger?

Und so wie dieser Trend auf eine Zielgruppe zugeschnitten ist, sichert der fünfte Trend nur einen Ausschnitt ab. Am populärsten ist gerade die Krebsversicherung, die eben nur Krebs absichert. Dadurch ist die Absicherung viel günstiger als eine umfassende Dread Disease.

Und Vermittler können den Versicherern hier auch keine Mogelpackung vorwerfen, da der Name nicht gerade suggeriert, dass hier mehr versichert sei. Tatsache ist, dass diese Ausschnittsdeckungen beim Endkunden vielleicht nicht den tatsächlichen Bedarf decken, aber doch zumindest das Bedürfnis.

Es bleibt abzuwarten, ob es hier noch mehr Produkte geben wird. Interessant sind ja auch alle Produkte, die zwar im Umfang nicht groß einschränken, aber in der Zeit der Leistungs- oder Versicherungsdauer.

Unterm Strich sucht der Markt im Moment Lösungen für all jene, die sich eine Berufsunfähigkeits-Versicherung nicht leisten können, zu viele Vorerkrankungen für einen Abschluss haben oder für die der Begriff schon zu kompliziert ist, um Emotionen auszulösen.

Vor allem die Berufsbild-Absicherung und die Ausschnittsdeckungen könnten hier neue und sinnvolle Impulse schaffen.

Dann kann auch alles um präventive Maßnahmen ergänzt und digital verkauft werden.

Philip Wenzel ist Fachwirt für Versicherungen und Finanzen. Außerdem ist er Versicherungsmakler, Fachbuchautor und Experte für die private Berufsunfähigkeitsversicherung in einem. Im Bereich der Arbeitskraftabsicherung hält er Vorträge und Workshops ab. Weitere Informationen zum Experten finden Interessierte unter dem folgenden Link.  

Titelbild & Beitragsbild: © Philip Wenzel

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